Freitag, 26. August 2016

Aggressive Zwangsgedanken - was ist das eigentlich?

Hi, mein name ist Sam. Ich bin 35 Jahre alt und leide an Zwangsgedanken. Genauer gesagt "Aggressive Zwangsgedanken".

Aber was ist das überhaupt?

Stell dir mal vor du gehst auf ein sehr hohes Gebäude (z.B. den Kölner Dom). Oben angekommen wird dir von der Höhe etwas mulmig. Plötzlich schießt dir der Gedanke in den Kopf "Hey, ich könnte ja jetzt hier einfach runter springen" oder "Hey, ich könnte ja jetzt meine Partnerin hier runter schubsen!".

Um es ganz klar auszudrücken: Solche Gedanken sind völlig "menschlich" und normal. Fast jeder, oder besser JEDER hat solche Gedanken schon einmal gehabt. Wenn man nun unter Zwangsgedanken leidet, kann es passieren, dass man diesen Gedanken, der natürlich ziemlich bedrohlich erscheint, nicht so leicht wieder los wird. Ein "gesunder" Mensch würde diesen Gedanken schnell wieder abschütteln und "normal weiter denken".

Üblicherweise wird in einer solchen Situation ein Mensch mit Zwangsgedanken von weitergehenden Gedanken geplagt - "Ich habe daran gedacht zu springen, bin ich vielleicht suizid-gefährdet?" oder "Ich habe daran gedacht, meine Partnerin zu ermorden! Bin ich vielleicht ein Mörder? Gibt es etwas tief in mir drin, dass ich nicht kenne und kontrollieren kann?".

Die Antwort auf diese Fragen ist natürlich "Nein". Ein Mensch mit Zwangsgedanken hat Angst vor seinen eigenen Gedanken. Er hat Angst, dass diese Gedanken seinen Willen widerspiegeln. Er hat Angst er können diese Gedanken in Handlungen umsetzen. Dabei ist es genau gegensätzlich. Die Gedanken sind nämlich deshalb für ihn so bedrohlich, weil sie ein Thema betreffen, bei dem der "Zwangspatient" besonders empfindlich ist und die höchsten moralischen Standards hegt und pflegt.

Ein Beispiel: Eine Frau, sagen wir Julia, ist streng religiös. Sie besucht jede Woche den Gottesdienst, betet vor jeder Mahlzeit und erzieht ihre Kinder entsprechend religiös. Nach einer sehr stressigen Woche in der ihre Arbeit ihr alle Kräfte entzogen hat, und sie auch privat durch die Pflege ihrer kranken Eltern geschafft ist, geht sie in den Gottesdienst. In der Kirche betet sie wie üblich - doch plötzlich kommt ihr der Gedanke "Warum ist alles so schlecht, warum muss Jesus so ein Arschloch sein...". Julia erschreckt und fragt sich, warum sie diesen Gedanken hat, den sie nicht denken will. Sie versucht ihn zu verdrängen, doch gleich fallen ihr noch mehr Schimpfwörter ein. Sie kann nicht verhindern wie sich weitere unangenehme Gedanken aufdringen.
Diese Gedanken nennt man religiöse Zwangsgedanken. Für Julia sind solche Gedanken extrem schlimm, da sie streng gläubig ist. Für die meisten Menschen sind diese Gedanken jedoch eher harmlos und üblicherweise auch egal denn "Es sind ja nur Gedanken" und sie spiegeln keine persönliche Meinung oder Haltung wieder und lösen keine entsprechende Handlung aus.
Julias große Angst vor den Gedanken steigerte sich sogar noch, als ihr in den Kopf kam, sie könne ihre Gedanken in Worte fassen und z.B. laut in der Kirche blasphemische Worte schreien. In ihrem Kopf stellte sie sich Szenarien vor, in denen Sie vor allen anderen Kirchenbesuchern vulgäre Dinge schreit und nach dem Tod in die Hölle kommt. Dies führte dazu, dass Julia es nicht mehr schaffte in die Kirche zu gehen, sie sich elendig schämte und depressiv wurde.

Was ich mit diesem Beispiel sagen möchte ist, dass jeder Mensch empfänglich für solche Gedanken ist. Bei mir sind es aggressive Zwangsgedanken. Bei anderen vielleicht pädophile Zwangsgedanken ("ich könnte meine Kinder unsittlich berühren" o.ä.).


Hier mal ein paar Beispiele für "beliebte" aggressive Zwangsgedanken:
"Ich könnte meine Kinder mit dem großen Küchenmesser umbringen"
"Ich könnte einen Freund schlagen"
"Ich könnte eine Person vor die Bahn schubsen"
"Ich könnte mich selbst vor ein Auto werfen"
"Ich könnte mit meinem Auto in den Gegenverkehr fahren"
"Ich könnte mich oder eine andere Person mit einem Gegenstand verletzen"

Wenn du auch schon solche Gedanken hattest: Kein Problem, die kommen und gehen.
Wenn du solche Gedanken hast, und
  • sie kommen häufig wieder (wie ein Ohrwurm)
  • sie bereiten dir Angst und Panik
  • du fragst dich, ob du vielleicht wirklich ein Mensch bist, der so etwas tut
  • du bist dir deiner Intention nicht mehr sicher
  • du versuchst diese Gedanken zu verdrängen
  • du versuchst andere positive Gedanken als Gegenmittel zu denken
  • du schämst dich für diese Gedanken und redest nicht über sie
kannst du relativ sicher sein, an Zwangsgedanken zu leiden. Willkommen im Club!

Jedoch sage ich dir jetzt auch schon: herzlichen Glückwunsch, du hast den ersten Schritt getan um sie wieder los zu werden. Du weißt nämlich jetzt, dass kein Monster in dir wohnt, dass du nicht verrückt bist, sondern einfach nur ein Mensch der eine relativ häufige psychische Erkrankung hat.
Die Gedanken bedrohen dich, weil sie deine "Schwachstelle" treffen. Und besonders dann, wenn du z.B. durch eine akute Stresssituation sowieso schon geschwächt bist.

Wenn du möchtest, lies dir meine Artikel zum Thema (aggressive) Zwangsgedanken durch und ich verspreche dir, dass du dich alleine durch das Wissen, dass extrem viele Menschen im Stillen an Zwangsgedanken leiden, besser fühlst.

Ich möchte in diesem Blog meine Erfahrungen mit dem Thema aggressive Zwangsgedanken teilen, quasi aus Sicht eines Betroffenen, eines Patienten, und eines völlig normalen Menschens.

Ich möchte allen anderen Betroffenen durch meinen Blog helfen. Ich möchte zeigen, dass es nicht unmöglich ist, wie es zunächst scheint, den Kampf gegen Zwangsgedanken zu gewinnen.

Ich rate jedem Betroffenen eine Gesprächstherapie zu machen. Wichtig ist, dass der Therapeut sich mit dem Thema Zwangsgedanken auskennt.

Ich rate außerdem jedem Betroffenen sich nicht in Internet-Foren zum Thema zu informieren. Gerade Zwangspatienten können durch falsche und/oder schlecht recherchierte Informationen noch größere Angst vor ihren Ängsten bekommen. Es gibt gute Bücher über das Thema und ich werde in einem Artikel ein Buch vorstellen, das es sich sehr lohnt zu lesen.

Noch einmal zum Abschluss dieses Eintrags:
Mach dir klar, ES SIND NUR GEDANKEN!



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Mittwoch, 24. August 2016

Die stärkste Waffe gegen Zwangsgedanken: Konfrontationstherapie (Exposition)

In diesem Eintrag möchte ich ein wenig über meine Erfahrungen mit der Konfrontationstherapie schreiben. Diese Art von Therapie sollte nur von einem erfahrenen Therapeuten begleitet werden, da sie für den Patienten sehr belastend ist und nicht negative Auswirkungen auslösen soll. Ich werde hier auch eine typische ausgedachte Geschichte schreiben, die explizite Gewaltdarstellungen enthält und die typischen Ängste eines Menschen mit aggressiven Zwangsgedanken beschreibt. Wenn du denkst, dass du diese Geschichte nicht lesen kannst, weil sie starke Angst in dir auslöst, kannst du sie gerne überspringen. Es ist jedoch einfach nur eine frei erfundene Geschichte und sie ändert rein gar nichts an dir und deinen Handlungen.


Wie funktioniert Konfrontationstherapie?
  • Bei der Konfrontationstherapie wird das Thema der Zwangsgedanken direkt aufgegriffen. Nach dem Motto: "Face your Fears" , also 'stelle dich deinen Ängsten', muss man sich diesen komplett ausliefern. Man nennt es deswegen auch "Expositionstherapie".
    Grundsätzlich ist der Ablauf folgender: Der Zwangspatient schreibt eine Geschichte auf, die möglich viele Aspekte der Zwangsgedanken beinhaltet. In dieser Geschichte, die aus der ersten Person singular (also "ich") Perspektive geschrieben wird, führt der Betroffene die Handlungen aus, vor denen er am meisten Angst hat. Die Geschichte soll dabei alle Konsequenzen beinhalten und darf auch ins Detail gehen. Außerdem sind Übertreibungen in Ordnung.
    Anschließend muss der Patient diese Geschichte im Beisammensein des Therapeuten laut vorlesen. Dies soll wieder und wieder geschehen, bis die Geschichte als Geschichte wahrgenommen wird und die größte Angst überwunden ist. (mehr dazu weiter unten)
Ein Beispiel für eine erfundene Geschichte (VORSICHT, GEWALTDARSTELLUNG!):
Ich heiße Emma und habe 3 Kinder im Alter von 3, 5 und 8 Jahren. An einem Sonntagmorgen decke ich wie an jedem Wochenende den Frühstückstisch. Meine Kinder versammeln sich auf ihren Plätzen und fangen an zu essen und unterhalten sich vergnügt. Mein Mann kommt verschlafen dazu und macht sich einen Kaffe. Als ich das große Küchenmesser sehe überkommt mich das innere Verlangen meine Kinder damit zu ermorden. Ich nehme das Messer, schreie laut und steche auf meine Kinder ein. Meine Kinder schreien und heulen und versuchen mir zu entkommen. Mein Mann ist schockiert und versucht mich festzuhalten. Meine Arme sind blutüberströmt und ich schreie noch immer. Ich versuche mich meinem Mann zu entreissen und mich mit dem Messer selbst zu verletzen. Ich stürze auf den Boden und mein Mann fixiert meine Arme.
Es ist nun passiert, mein innerstes Verlangen hat meinen Verstand besiegt, ich bin nun ein Mörder, ein Geisteskranker und gefährlich für die Menschheit. Nach diesem Vorfall werde ich in eine geschlossene Psychatrie eingewiesen. Mein Mann und meine Familie möchten keinen Kontakt mehr zu mir haben. Ich werde mit Medikamenten vollgepumpt und muss bis an mein Lebensende in Gefangenheit verbringen.

  • Diese Geschichte war mit Sicherheit nicht völlig emotionsfrei zu lesen, oder? Ich habe mal die Stellen markiert, die besonders universell bei Zwangspatienten angsteinflößend sind. Das "innere Verlangen" etwas schlimmes zu tun, also das 'Monster im Selbst', ist bei vielen Betroffenen ein typisches Schreckensbild. Die Kontrolle zu verlieren, auszurasten und etwas zu tun vor dem man so große Angst hat, ist ebenfalls ein ganz typischer Aspekt. Der jeweilige Inhalt ist dann gänzlich davon abhängig was das Thema der Zwangsgedanken ist, also völlig austauschbar.

Was passiert im Kopf?
  • Zunächst ist das Ausdenken und Aufschreiben einer solchen Geschichte unheimlich belastend. Man ist erst einmal gezwungen sich zu fragen was die größten Ängste sind, die man hat. Diese werden dann in eine Geschichte eingebaut, die ein alltägliches Ereignis beschreibt.
    Mit dem stetigen Vorlesen der Geschichte baut sich eine große Spannung und Angst auf. Das Gehirn fängt an sich den Inhalt bildlich vorzustellen und Details zu ergänzen. Emotionen der Beteiligten werden intensiver vorgestellt und die Geschichte erscheint 'lebendig'.
    Die Geschichte muss so lange wiederholt werden, bis sich die Spannung wieder abbaut. In diesem Moment begreift das Gehirn (oder wer auch immer dafür zuständig ist), dass es sich gerade um eine Geschichte handelt, dass es keine akute Gefahr gibt, und durch die intensiven Gedanken nichts weiter passiert ("Es sind nur Gedanken", "Es ist nur eine Geschichte")
    Es kann schon eine halbe Stunde oder länger dauern, bis sich die Spannung wieder abbaut. Man muss die Geschichte so lange vorlesen (oder sich anhören) bis dies passiert. Wenn man aufhört diese zu lesen bevor die Angst abflacht, kann dies eher negative Auswirkungen haben.
    Es ist ein unglaublich befreiendes Gefühl, wenn man das erste mal die aufgeschriebene Geschichte lesen kann, ohne große Ängste zu bekommen und man sie wirklich als eine Geschichte wahrnimmt.
  • Die Wirkung der Konfrontationstherapie macht sich als erstes bemerkbar wenn man in eine typische Situation kommt, in der Zwangsgedanken auftreten, und diese plötzlich gar nicht da sind. Unser Gehirn hat dann nämlich das Warnsignal weggelassen, weil es weiß das keine Bedrohung vorhanden ist. Anfangs kann das Warnsignal noch vorhanden sein, d.h. es treten Gedanken auf und diese lösen Angst aus, jedoch kann man sich selbst sofort an die Geschichte erinnern und die Gedanken so 'ad absurdum' führen.
Wie macht man es?
Einige Regeln habe ich bereits oben beschrieben, hier noch ein paar mehr und komprimiert:
  • Eine Geschichte zusammen mit dem Therapeuten aufschreiben
  • Die Geschichte zusammen mit dem Therapeuten vorlesen
  • Sich selbst beim lesen beobachten ("wie angespannt bin ich?", "was fühle ich?")
  • Das Lesen wiederholen bis die Anspannung und Angst nachlassen
  • Am nächsten Tag wiederholen, danach erst einmal 1-2 Tage Pause
  • Danach täglich wiederholen, alleine ohne Therapeuten
  • Manche Therapeuten sagen man soll die Geschichte bis zu 1-2 Stunden lang wiederholen. Ich halte das für unpraktikabel und unrealistisch. Ich empfehle die Geschichte so lange zu wiederholen bis die Angst abflacht.
  • Die Geschichte kann auch "auf Band" (heutzutage wohl eher "auf Smartphone") gesprochen werden. Danach hört man sie sich einfach in einer Endlosschleife an
  • Für Außenstehende ist eine solche Geschichte wohl eher nicht nachvollziehbar, da sie meistens die Krankheit und die Konfrontationstherapie nicht kennen. Ich würde daher vorschlagen, dass man die Geschichte mit einem einleitenden Satz beginnt, wie "Dies ist eine Geschichte die ich mir im Rahmen einer Konfrontationstherapie gegen Zwangsgedanken ausgedacht habe". Falls mal ein Außenstehender die Geschichte liest oder hört wird er nicht gleich die GSG9 verständigen ;-)
  • Wiederholen bis Erfolge da sind und die Geschichte vom Gehirn als Geschichte erkannt wird.
  • Wiederholen falls man "rückfällig" wird - quasi als Gedankenstütze wenn die Angst wieder kommen sollte

Mögliche Nebenwirkungen...
Wenn man die Regeln nicht einhält, so kann die Konfrontationstherapie auch eher negative Auswirkungen haben.
  • Bricht man das vorlesen/anhören der Geschichte ab, wenn die Angst am größten ist, so lernt das Gehirn nicht, dass von der Geschichte/den Gedanken keine Gefahr ausgeht. 
  • Angst vor der Therapie: Es ist ganz normal, dass ein Zwangspatient die Befürchtung hat, dass durch das endlose Wiederholen die Zwangsgedanken noch "tiefer eingebrannt" werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil ist es ja so, dass die Gedanken sowieso schon tief verwurzelt sind. Man löscht durch die Konfrontationstherapie nicht die Gedanken, sondern gibt ihnen eine neue Bewertungsgrundlage. Man bringt ihnen bei, dass sie nicht wichtig sind.
  • Angst davor, dass der Zweifel noch größer wird: Ebenfalls ganz normal ist die Angst, dass die Konfrontationstherapie durch das ständige Wiederholen der "schlimmen" Gedanken die Gefahr erhöht man könne diese durchführen, oder man würde davon verrückt werden. Auch diese Bedenken sind grundlos. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass die Zwangsgedanken auch durch mehrfaches Wiederholen weiterhin nur Gedanken sind und nichts anderes.

Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit der Konfrontationstherapie gemacht. Ich glaube es ist die stärkste Waffe gegen Gedankenzwänge, aber sie verlangt auch am meisten vom Zwangspatienten ab. Es ist kein Kinderspiel sich so intensiv seinen Zwangsgedanken zu stellen.
Überhaupt sollte man im Alltag immer gegen den Zwang angehen. Niemals dem Zwang nachgeben, niemals vermeiden und sich immer den Ängsten stellen. Das ist zwar sehr anstrengend, dauert auch lange, aber das beste um sich von Zwangsgedanken für immer zu befreien!



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Freitag, 29. Juli 2016

Typische Symptome

Hier sind mal ein paar typische Symptome von Aggressiven Zwangsgedanken aufgelistet. Falls du dich hier wieder findest, keine Panik, du bist damit nicht alleine ;-)
Typischerweise sind die Inhalte der Zwangsgedanken völlig beliebig und spiegeln eher das wieder, vor dem die Person potentiell am meisten Angst hat. Dies ist ja auch das Grund-übel der Gedanken, sonst wären sie ja für einen Betroffenen gar nicht bedrohlich.
  • Angst davor, einen unangenehmen Gedanken nicht mehr los zu werden und das ganze Leben an diesen denken zu müssen
  • Der wiederkehrende Gedanke, man könne einem Menschen/Tier körperliche Gewalt zufügen
    • "Ich könnte meinen Partner verletzen oder umbringen"
    • "Ich könnte meine Kinder verletzen oder umbringen"
    • "Ich könnte einen fremden Menschen auf die Bahngleise schubsen"
    • "Ich könnte Amok laufen"
    • "Ich könnte einen völligen Kontrollverlust haben"
    • "Ich könnte andere Personen mit dem Auto überfahren"
    • "Ich könnte in den Gegenverkehr oder gegen einen Brückenpfeiler fahren"
    • "Ich könnte mich selbst erstechen/erhängen/erschießen etc"
  • Der Gedanke, dass man etwas in sich hat, was man nicht kontrollieren kann
  • Die Angst, dass diese Gedanken zu Handlungen führen die man eigentlich gar nicht ausführen möchte
  • Die Angst vor der Angst, und Angst davor die Gedanken zu bekommen und nicht mit ihnen klar zu kommen
  • Selbstzweifel, meist induziert dadurch, dass man sich selbst nicht mehr sicher ist "Will ich das vielleicht doch?!"
  • Gestörte Selbstreflexion: Man hört in den Nachrichten oder sieht in Filmen aggressive Handlungen und bekommt Angst, dass man selbst diese ausführen könnte
  • Ausweichen/Vermeiden von Situationen die Angst hervorrufen 
  • Sich selbst beruhigen, z.B. dadurch dass man etwas gutes denkt um die schlechten/unangenehmen Gedanken zu neutralisieren
  • Zwangshandlungen ausführen um Gedanken zu "neutralisieren" (z.B. zählen, an bestimmte Dinge denken, bestimmte Rituale durchführen)
  • Depressionen: Durch die ständige Belastung können Zwangsgedanken zu einer Depression führen. Anders herum ist ein depressiver Mensch auch anfälliger für Zwangsgedanken. Es gilt also gegen beides anzugehen. 
  • Grübeln: Zwangsgedanken laden zum Grübeln ein. Typische Grübelthemen sind dann "Warum denke ich das? Bin ich so ein Mensch? Wieso denke ich genau das? Denken andere Menschen auch sowas? Muss ich mein Leben lang diese Gedanken haben?..."
  • Sich selbst testen ob die Gedanken noch Ängste auslösen: Ist man der Meinung man könne bestimmte Dinge wieder denken, ohne Angst zu bekommen, probiert man das natürlich auch aus. Meistens hat das zur Folge, dass man merkt, dass man doch Angst bekommt. Und dies führt wiederum dazu, dass man denkt, der Gedanke hat vielleicht doch einenen tieferen Sinn. Und dreht sich die Spirale wieder abwärts.
  • Angst vor bestimmten Wörtern: Sie lauern scheinbar überall - Wörter die bei Zwangspatienten Angst auslösen können. In der Zeitung, in den Nachrichten im Radio, in Liedtexten und auf Schildern. Wörter wie "Tod, Mord, Blut, Messer, rot, Killer etc" triggern die aggressiven Zwangsgedanken.
Zu allen Symptomen gibt es Lösungsansätze, wie man damit umgehen kann. Bitte lies dir auch meine anderen Artikel durch, in denen ich viele Tipps gebe wie man die Symptome in Schach hält.



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Dienstag, 26. Juli 2016

Wichtige Verhaltensregeln bei Aggressiven Zwangsgedanken

Hier sind meine persönlichen Tipps, was man als Zwangspatient machen sollte - und was man besser lassen sollte.

Das ist gut:


  • Selbstedukation - sich informieren. Das hast du bereits hiermit getan. Das ist der erste Schritt und auch ein ganz wichtiger. Ich empfehle dir, ein oder vielleicht zwei gute Bücher zum Thema zu lesen. Lies am besten nicht in den Weiten des Internets, besonders nicht in Internet Foren über das Thema nach. Hier kann jeder alles schreiben. Informationen sind oftmals falsch und unvollständig. Mit falschen Informationen können deine Ängste nur noch größer werden.
  • Akzeptiere dass du eine Krankheit hast. Diese heißt "Aggressive Zwangsgedanken". Sie ist gut behandelbar und du kannst sie aus eigener Kraft besiegen. Du brauchst dafür Kraft und Nerven, aber es lohnt sich zu kämpfen. Jeder kleine Fortschritt macht dich stärker. Du wirst mit Sicherheit Rückschläge einstecken müssen, das ist völlig normal. Nach jedem Schritt zurück gehst du zwei Schritte nach vorn.
  • Haushalte gut mit deiner Kraft. Die Zwangsgedanken sind sehr anstrengend und rauben dir alle Kräfte. Sei dir dessen bewusst. Erhole dich in guten Phasen. Genieße das Leben wenn es dir gut geht. Treibe Sport, lache mit deinen Freunden, gehe nach draußen in die Natur. Tu was dir gut tut, und am besten so häufig wie möglich. 
  • Komme deinen Gedanken zuvor. Lass dich gar nicht erst von ihnen überraschen. Du weißt, dass sie kommen werden, also lass sie kommen. Lass die Angst über dich kommen und halte sie aus. Wenn die Angst wieder abflacht, ohne dass du dich abgelenkt hast und die Gedanken verdrängt hast, hast du einen Kampf gewonnen. Mit der Zeit wirst du merken, dass die Angst vor den Zwangsgedanken nicht mehr so stark ist. Nach einiger Zeit sind dir die Gedanken sogar egal.
  • Akzeptiere die Gedanken. Sage dir im Kopf "Hey, den Gedanken kenne ich doch. Es ist ein unangenehmer Gedanke, nämlich ein Zwangsgedanke. Ich werde davon jetzt Angst bekommen, doch diese halte ich aus. Dadurch, dass ich den Gedanken als Zwangsgedanken identifiziert habe, kann er mich nicht weiter fesseln. Ich lasse ihn einfach so stehen und interpretiere nichts in ihn hinein." 
  • Gedanken abstempeln und weiter denken: Stell dir deinen Denkprozess wie ein Fließband in einer Fabrik vor. die Gedanken kommen mehr oder weniger sequentiell in dein Bewusstsein. Sie kommen einfach ohne dass du sie direkt steuern oder selektieren kannst. Nun kommt ein Zwangsgedanke auf dem Fließband angefahren. Erkenne diesen als (unangenehmen) Zwangsgedanken und stempel ihn als solches ab. Fang nicht an dem Gedanken nach zu gehen, grübel nicht über ihn, messe ihm keinerlei besondere Bedeutung zu. Aber verdränge ihn auch nicht. Stempel ihn einfach ab und "denk weiter". Mach einfach mit deinen Handlungen und Gedankengängen weiter. Du wirst es vielleicht nicht immer schaffen jeden Zwangsgedanken so abzustempeln, aber jedes mal wenn du es geschafft hast werden die Gedanken zu "normalen" Gedanken und belasten dich weniger.
  • Neue Themen direkt als Zwangsgedanken erkennen und entsprechend handeln: Nicht selten ist es so, dass sich Zwangsgedanken verändern und entwickeln. Hatte ein Mensch früher den Gedanken, er könne seine Partnerin verletzen, wird er möglichweise nach der Geburt eines Kindes den Zwangsgedanken bekommen, er könne sein Kind verletzen. Hat er dies direkt als Zwangsgedanken erkannt, so kann er entsprechend handeln (abstempeln und weiter denken). So manifestiert sich ein neuer Gedanke erst gar nicht! Schwieriger ist es, wenn z.B. ein neues Thema "gedacht" wird. Zum Beispiel kommt der Gedanke auf, er könne sein Kind sexuell misshandeln (pädophile Zwangsgedanken, auch sehr häufig). Hier ist es zunächst schwieriger die Gedanken als Zwangsgedanken zu identifizieren. Erst geschehen, ist es aber wieder leicht diese abzuweisen und es findet keine Manifestierung statt.
  • Kognitive Verhaltenstherapie: Sprich mit einem Therapeuten über deine Zwangsgedanken. Es gibt nichts besseres für dich als deine Ängste und Sorgen einem kompetenten Psychologen mitzuteilen. Im besten Fall findest du einen Psychotherapeuten der sich auf das Thema Zwang und Zwangsgedanken spezialisiert hat. 
  • Assoziationstherapie: Bitte lies dir meinen Blog-Eintrag zu diesem Thema durch :-)
  • Konfrontationstherapie: Ich habe hier einen Blog-Eintrag über meine Erfahrungen mit der Konfrontationstherapie geschrieben.
  • Medikamente: Zu diesem Thema schreibe ich ebenfalls einen Blog-Eintrag. Psychopharmaka sind der (optionale) zweite Schritt in einer Therapie. An erster Stelle steht jedoch immer die kognitive Verhaltenstherapie und alle damit verbundenen Strategien und oben genannten Tipps!


Das ist nicht gut:


  • Verdrängen: Wenn man einen Zwangsgedanken verdrängt mag sich das vielleicht in dem Augenblick gut anfühlen, jedoch wird das eigentliche Problem nur verstärkt. Der Gedanke wird natürlich wieder kommen und sich dann noch "schlimmer" anfühlen, weil man ihm durch das Verdrängen mehr Bedeutung zuspricht. ("Er ist so schlimm, ich muss ihn verdrängen"). Außerdem ist es nie gut seine Ängste zu verdrängen, sondern man sollte möglichst offensiv gegen sie vorgehen. "Face your Fears!" Stelle dich deinen Ängsten, nur so kannst du sie besiegen. Und das gilt vor allem für Zwangsgedanken. Es gilt diese zu akzeptieren, ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen und letztendlich so zu "egalisieren", dass man sie gar nicht mehr als Zwangsgedanken auffasst.
  • Grübeln: Gedanken wie "Warum denke ich das? Warum ich? Warum genau das Thema? Warum kommen die genau dann, wenn...? Wieso hab ich das? Wieso hat xyz das nicht? ... Es bringt nichts über all dies nachzudenken. Menschen die besonders "gerne" grübeln empfehle ich das Buch "Grübeln: Wie Denkschleifen entstehen und wie man sie löst" von Tobias Teismann. Mir hat es sehr geholfen, da ich zum grübeln tendiere. Und es bringt wirklich nichts stundenlang darüber nach zu denken was der Zwangsgedanke nun zu sagen hat. Damit macht man sich selbst nur fertig und gibt den Zwangsgedanken Futter und Existenzgründe.
  • Die Zwangsgedanken verfolgen und kreativ werden: Manchmal erscheint es sogar reizvoll einen unangenehmen Gedanken aufzunehmen und weiter zu spinnen. Ihn noch bedrohlicher zu machen und ganz neue Aspekte hinzuzufügen. Ein Beispiel: Eine Frau hat den Zwangsgedanken, dass sie möglicherweise lesbisch ist. Ihre größte Angst ist also, wirklich lesbisch zu sein und dies auch in die Tat umzusetzen. Sie spinnt den Gedanken einfach weiter und stellt sich vor wie sie Verkehr mit mehreren Frauen hat, sich von ihrem Mann trennt usw. Es werden neue völlig abstruse Szenarien im Kopf durchgespielt die gleichzeitig Angst auslösen und man sich ihnen kaum entziehen kann. Hier gilt: Stopp! Es bringt überhaupt nichts, sich neue angsteinflößende Szenarien auszudenken. Man kann das im Rahmen einer Konfrontationstherapie so machen, im Alltag ist dies jedoch einfach nur Kräfte- und Nerven-raubend.
  • Vermeidungsstrategien: Ähnlich dem Verdrängen sind Vermeidungsstrategien. Hier versucht man nicht die Gedanken direkt zu verdrängen wenn sie kommen, sondern prophylaktisch diese erst gar nicht entstehen zu lassen. Dies klingt zunächst gar nicht dumm, jedoch läuft es immer auf Vermeidungen aus. Ein Beispiel: Eine junge Frau hat den Zwangsgedanken sie könne mit dem Küchenmesser ihren Mann umbringen. Damit diese Gedanken nicht mehr kommen, versteckt sie jegliche Messer im Haus, meidet den Gang in die Küche, meidet sogar den Kontakt zu ihrem Mann und kann potentiell gefährliche Werkzeuge wie z.B. Teppichmesser, Sägen, Hammer, etc. nicht mehr nutzen. Sie schränkt ihren Alltag bisweilen so stark ein, dass sie stark depressiv wird. 

Diese Liste wird von mir erweitert, sobald mir neue Dinge einfallen oder zugetragen werden. Ich hoffe ich kann mit diesen Tipps vielen Menschen helfen, die sich den Zwangsgedanken ausgeliefert fühlen und nach Handlungsstrategien suchen.



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Montag, 25. Juli 2016

Aggressive Zwangsgedanken und Medienkonsum

Hallo Leute,

heute möchte ich über das Thema Aggressive Zwangsgedanken und Medienkonsum schreiben.
Leider haben Menschen, die an Aggressiven Zwangsgedanken leiden, oftmals Schwierigkeiten Handlungen, die andere Menschen begangen haben, differenziert zu betrachten. Anders ausgedrückt: sie haben Angst, dass diese besonders schlimmen Taten auch von Ihnen durchgeführt werden könnten, auch wenn sie es überhaupt nicht wollen.

Ein Beispiel: Auf Spiegel-Online wird ausführlich darüber berichtet, dass eine 32-jährige Frau ihre 2 kleinen Kinder im Alter von 2 und 4 Jahren aus dem Fenster geworfen hat. Diese waren natürlich tot. Die Frau hat anschließend Selbstmord begangen.
Was passiert nun im Kopf eines Menschen mit Aggressiven Zwangsgedanken? Besonders dann, wenn die persönlichen Zwangsgedanken auch über das beschriebene Thema handeln?

Hier sind ein paar typische Gedanken, die ein Zwangspatient denkt:

  • Welch schreckliche Tat! Ohje, was ist wenn ich auch mal so werde? Was ist wenn ich vielleicht eigentlich auch ein Mensch bin, der so etwas tut?
  • Kann ich mich noch alleine mit meinen Kindern aufhalten? Bin ich nicht vielleicht zu gefährlich?
  • Kann es sein, dass ich irgendwann nicht mehr die Kontrolle über mich habe und so etwas mache?
  • Sind meine bisherigen Gedanken vielleicht ein Indiz dafür, dass ich auch solch ein Mensch bin der so schlimme Dinge macht?
  • Ich schließe die Tür ab, weil ich meinen Kindern jetzt etwas antun werde (typischer Gedanke beim abendlichen abschließen der Wohnungstür).
  • Die Frau war vielleicht in der gleichen Situation wie ich und hat so etwas getan?
  • Vielleicht reagiere ich so, wenn ich mal unter starkem Stress stehe?
Das sind nur ein paar Beispiele, aber sie zeigen was für angsteinflößende Gedanken ein Mensch mit aggressiven Zwangsgedanken hat. Er ist sich selbst nicht mehr sicher. Er zweifelt in dem Moment, wenn die Gedanken auftreten, dass seine eigentliche Intention, nämlich seine Kinder zu schützen und zu lieben, gar nicht die eigene Intention ist. Dies ist besonders hart und schmerzlich. 

Ein Mensch mit aggressiven Zwangsgedanken leidet nämlich in erster Linie immer am Zweifel. Er zweifelt, ob seine Gedanken seine Intention widerspiegeln. Er zweifelt daran, dass er nicht derjenige ist, für den er sich immer gehalten hat. Er kann im Moment der Zwangsgedanken nicht richtig differenzieren, ob seine Gedanken die wahre Intention widerspiegeln oder einfach nur unangenehme Gedanken sind, die jeder Mensch hat.

Manchmal geht es so weit, dass ein Mensch mit z.B. dem Zwangsgedanken er könne sich selbst umbringen, ein Messer nimmt, es sich an den Hals hält und beobachtet/wartet ob er sich nun wirklich umbringt. Dies ist natürlich extrem belastend und natürlich wenig zielführend, da der eigentliche Zweifel nicht ausgeräumt wird. Ein Zwangspatient denkt dann "Vielleicht bringe ich mich dann ja nächstes mal um?".

Meine Empfehlungen bezüglich Medien die Gewalt, Mord und Totschlag beschreiben:
  • Nicht verdrängen, nicht ausweichen. Wenn man vermeidet Nachrichten-Webseiten zu besuchen die potentiell Angst-verursachende Inhalte zeigen, gibt man seinen Zwangsgedanken Nahrung. Man gibt ihnen einen Grund zu existieren. Dies ist jedoch die falsche Message! Die richtige Nachricht an deine Zwangsgedanken ist: Ich kann mir die Nachrichten/den Film o.Ä. anschauen und finde die Taten/Szenen zwar schrecklich; Ich bin aber ein autonomer Mensch, und meine eigentliche Intention ist eine ganz andere. Ich kann mich von den Handlungen distanzieren. Ich habe in der Vergangenheit nie ähnliche Taten begangen. Ich habe ja gerade Zwangsgedanken zu diesem Thema, weil es mich so sehr berührt und ich dort besonders angreifbar bin.
  • Ruhig mal ganz bewusst Medien konsumieren, die Zwangsgedanken auslösen. Wenn man sich vorher klar macht, dass diese Medien die Gedanken und Gefühle auslösen können, kann man ganz ruhig auf sie warten, wird nicht überrascht und kann prima damit umgehen. Klar, lösen sie zunächst Angst aus, aber dieses Gefühl ist auszuhalten und es vergeht auch wieder. Wenn die Angst dann gewichen ist, ist man einen Schritt weiter und beim nächsten mal wird die Angst nicht so schlimm sein. Mit der Zeit lernt so unser Gehirn, dass es keine Angst haben muss. 
  • Nicht vergessen: Egal was auch immer in den Medien gezeigt wird. Es ist völlig beliebig und hat nichts mit dem eigenen Wesen zu tun. 

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